Ein Tag im Leben mit Burnout

Burnout Meinung.

Burnout ist ein heiß diskutiertes Thema: Was können Unternehmen tun, um diese Krankheit bei ihren Angestellten zu vermeiden? Anhand welcher Symptome kann man selbst ein Burnout früh erkennen? Fragen wie diese und Handbücher voller Vorschläge zur (Selbst-)Behandlung, Vermeidung und Reduzierung von Stressfaktoren existieren zu Genüge. Aber wie fühlt sich ein Burnout an? Uns hat ein sehr berührender und persönlicher Text erreicht, der versucht, diese Erfahrungen nachzuzeichnen.

 

Guter Tag:

Ich wache halbwegs erholt auf. Selbst wenn ich etwas Schlechtes geträumt habe, tangiert es mich nicht wirklich. Meistens mache ich Sport vor der Arbeit, bade oder dusche mich anschließend und habe Freude daran, mich zu schminken, mir schöne Klamotten rauszusuchen und mich anzuziehen. Vor allem zurzeit. Mit einer stattlichen Gewichtsabnahme kann ich doch wieder etwas figurbetontere Sachen anziehen. Dass das ein gutes Gefühl gibt muss ich ja niemandem erklären. Auf dem Weg in die Arbeit, meistens mit dem Fahrrad, bin ich energiegeladen und ein klein bisschen stolz darauf, aufgestanden zu sein, mein Sport-Soll erfüllt zu haben und den Tag in Angriff zu nehmen. Bäume ausreißen könnte ich in diesem Zustand! (Zumindest frisch gepflanzte)

In der Arbeit angekommen weiß ich meistens, was mich erwartet, was mir ein Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit gibt. Ich versuche, als Praxis-Leitung meine Mädels gut zu unterstützen. Was immer mitschwingt ist die Angst, etwas nicht zu schaffen, mir ODER den Mädels zu viel zu zumuten, da ich für die Schäfchen verantwortlich bin. Oder mich zumindest verantwortlich fühle. Niemand, wirklich niemand sollte sich so fühlen, wie ich mich im Juli gefühlt habe. Daher ist Vorsicht geboten.

Aber die Stimme, die mich zweifeln lässt, ist an guten Tagen ganz leise. Nur ein kleines Surren.

Und wenn sie doch mal etwas lauter wird, weiß ich inzwischen sehr gut wie ich sie (an guten Tagen) wieder zum Schweigen bringen kann. Die Arbeitszeit verläuft, auch dank eines super Teams, meist reibungslos und die acht (oder öfter leider auch noch neun oder zehn Stunden) vergehen wie im Flug. Wenn ich mich auf eine bestimmte Arbeit konzentrieren klappt das ganz gut. Auch wenn es früher besser lief. Aber es ist wohl noch zu früh. Zu früh um mich mit der Zeit vor dem Burnout zu vergleichen. Sagt zumindest die Therapeutin.

Ich trete den Heimweg an. Manchmal hab ich sogar noch so viel Energie, die mir der gute Tag bringt, dass es mich noch überhaupt nicht nach Hause zieht. Ich gehe spazieren, meist durch den Park, der am Heimweg liegt. Ich atme tief, ruhig und kontrolliert. Zuhause begebe ich mich zu allererst in die Küche. Ich liebe kochen. Wenn ich ganz viel Elan habe, schiebe ich noch irgendwas zu backen hinterher.
Mein Tag endet gemütlich auf der Couch. Und schon ist der Tag wieder vorbei. Meist wurde viel gelacht und, was noch wichtiger ist: es wurde viel geschafft.
Es war ein guter Tag.

Schlechter Tag:

Ich wache auf, weit vor dem Wecker. Ob ich wirklich richtig geschlafen habe, kann ich nicht sagen. Das Einzige was drauf schließen lässt, dass es so was wie Schlaf war, sind die beschissenen Träume, die ich hatte. So richtig gemeine, miese, was ein furchtbares Gefühl hinterlässt. Ab welchem Zeitpunkt ein „schlechter Tag“ beginnt weiß ich nicht. Aber man hat das Gefühl, dass sich das schon mitten in der Nacht entwickelt. Irgendjemand hat entschieden, dass es mir heute schlecht geht. Naja. Muss man auch durch. Also steh ich sehr zügig auf. Denn je schneller ich aufstehe und den Tag hinter mich bringe, desto schneller kann ich wieder abends ins Bett. Außerdem kann ich nicht liegen bleiben. Die Gedanken, die mich innerlich so aufwühlen, drängen mich dazu aufzustehen.

Wenn ich länger liegen bleibe fange ich an zu weinen. Und das will ich vermeiden. Denn ich will meinen Partner nicht aufwecken und ihm wieder nicht erklären können warum ich traurig bin. Ich bin es aber. Manchmal schaffe ich es noch, Sport zu machen, in der Hoffnung, dass es mich aufheitert. Der Blick geht oft auf die Uhr. Steh unter Druck. Darf nicht zu lange für mein Training brauchen, sonst hab ich nicht genug Zeit fürs fertig machen. Zeit, die ich an schlechten Tagen so dringend brauche, da ich mich hässlich fühle. Da brauch ich also viel Make-Up – ergo viel Zeit. Nach dem Sport (wenn er denn statt gefunden hat) gehe ich duschen (nicht baden!).

Ich will mich nicht ansehen müssen.

Daher muss es schnell gehen. Wie schon erwähnt ist das schminken an einem schlechten Tag eher eine Bürde, ein Sache, die ich mir gern ersparen würde. Allerdings kann ich das den Mitmenschen nicht antun. Vor allem weil ich einfach aussehe wie krank. Was ich auch bin. Aber nicht so. Und darauf angesprochen zu werden, das will ich absolut vermeiden. Noch schnell weite schlabbernde Klamotten anziehen und dann los. Auf dem Weg zur Arbeit hör ich Musik. Muss die traurigen Balladen eigentlich vermeiden. Sie sind aber das Einzige, womit ich mich gerade identifizieren kann. Meistens verläuft der 7-minütige Arbeitsweg dann so, dass ich andauernd sämtliche Lieder nur weiter klicke. In der Arbeit verschwinde ich ganz schnell in mein Büro und hoffe, dass mich niemand anspricht. Weil ich einfach nicht weiß, wann ich wieder anfange zu weinen.

Ich will die Traurigkeit nicht über mich kommen lassen, nicht zulassen dass sie alles Gute in mir aufsaugt.

Daher versuche ich, mich mit Arbeit abzulenken. Das Konzentrieren fällt mir schwer. Ich fang immer wieder mit der selben Sache an. Das ärgert mich zusätzlich. Ich will nicht, dass es jemand merkt. Man muss doch als Leitung was leisten. An schlechten Tagen bin ich die absolute Fehlbesetzung. Das macht mich so traurig – zusätzlich. Noch mehr Traurigkeit. Na super. Die Mädels brauchen Hilfe. Ich versuche zu helfen, hoffe aber, dass ich schnell wieder allein bin. Ich versuche viel zu lächeln, wenn die Mädels in mein Büro kommen. Schauspielern kann ich inzwischen. Hilft aber auch. Man ist nicht man selbst. Schön, an so einem Tag. Der Fluchtimpuls ist ständig da. Ich will nach Hause. Es ist alles so mühsam: das Schauspielern, der Versuch mich zu konzentrieren, mich ständig mit mir selbst auseinander setzen zu müssen. Wenn jetzt noch was Unerwartetes, anderes passiert, bin ich aufgeschmissen. Damit kann ich nicht umgehen. Ich selbst koste mich doch schon alle Energie die ich habe. Also hoffe ich, dass alles seinen normalen geregelten Gang geht.

Die Zeit zieht sich wie ein Kaugummi und ich nehme mir nur stupide Arbeit vor, da ich nichts anderes schaffe. Anspruchsvolles traue ich mir im Moment nicht zu. Wenn ich wegen dem schlechten Tag jetzt auch noch weitreichende Fehler machen würde, würde ich mir das nicht verzeihen. Deswegen sortiere ich irgendwas, ordne Unterlagen neu, miste aus. Wenigstens das gibt mir ein einigermaßen gutes Gefühl, dass ich sichtbar etwas geschafft habe. Die Stimme, die mich an allem, vor allem an mir zweifeln lässt, ist aber so laut, das sie jedes noch so kleine gute Gefühl immer wieder zerquetscht und unterdrückt. Zwischenzeitliche Unterhaltungen mit den Mädels helfen, mich abzulenken, zuhören kann ich in dem Moment sehr gut. Es geht nicht um mich, das tut gut.

Irgendwann ist die Schicht dann doch mal vorbei und ich freue mich für einen kurzen Moment, dass ich es geschafft habe. Dann allerdings macht sich die Angst breit oder besser gesagt der Druck, dass ich ja jetzt noch kochen muss, evtl noch Sport machen muss, Mama anrufen muss, Haushalt schmeißen muss, wahrscheinlich wieder alleine Zuhause bin. Nur ich und meine Gedanken. Zuhause mach ich sofort den Fernseher an, damit ich mich nicht selbst höre. Ich bin antriebslos, möchte keinen Sport machen, will nicht kochen, will nicht essen. Ich weiß, dass es schlecht ist nicht zu essen, aber die Traurigkeit steht mir bis zum Hals. Der Druck schnürt mir die Luft ab… ich muss oft gezielt tief Luft holen, damit ich mir sicher bin, dass ich auch wirklich Luft bekomme. Irgendwie bekomme ich dann doch alles hin, meistens zumindest. Weil ich gelernt habe, trotzdem weiter zu machen. Ich gehe erst ins Bett wenn ich schon auf der Couch vor dem Fernseher eingeschlafen bin, sonst denk ich im Bett zu viel nach. Wenn mein Partner da ist, geht’s besser, aber das ist leider wegen seiner Arbeit nicht so oft der Fall. Jetzt nur noch hoffen, dass ich im Bett ganz schnell weiter schlafe. Die Gedanken sollen einfach nur aufhören. Nichts mehr denken, um den Tag zu vergessen.
Es war ein schlechter Tag.

 

Dieser mutige Erfahrungsbericht wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt und die Verfasserin möchte anonym bleiben. Sie hat sich nach der Diagnose Burnout Hilfe geholt. Wenn auch du von Burnout betroffen bist oder glaubst, Symptome aufzuweisen, findest du hier Tipps. Sprich mit deinem Hausarzt bzw. deiner Hausärztin darüber, sie können dir sicher weiterhelfen. Burnout ist ein ernstzunehmender, gesundheitsgefährdender Zustand. Deine Gesundheit ist das Wichtigste, was du hast und du bist es wert, gesund zu sein. 

Janine Heinz

Nanananana, Batmaaaan! Janine Heinz ist die Initiatorin von Salzburgs Töchter und schreibt gerade ihre Masterarbeit in Soziologie. Wenn sie sich nicht gerade zum Sport überwindet, hört sie gerne The Smiths und gibt viel zu viel Geld für Platten, Bücher und in Museumsshops aus

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